Hinterkaifeck - Sechsfachmord mit bizarren BegleitumständenDer Einödhof Hinterkaifeck lag bei Gröbern (auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Waidhofen in Oberbayern). Hier fand in der Nacht zum 1. April ein Sechsfachmord statt, der bis heute nicht aufgeklärt wurde. Die Opfer (laut hinterkaifeck.net):
[...]das Austragsbauernehepaar Andreas (* 09.11.1858) und Cäzilia (* 27.11.1849) Gruber, deren verwitwete Tochter Viktoria Gabriel (* 06.02.1887), deren Kinder Cäzilia (* 09.01.1915) und Josef (* 07.09.1919) sowie die Magd Maria Baumgartner (* 01.10.1877).
Als Tatwaffe diente eine Reuthaue (Kreuzhacke), Viktoria Gabriel wurde zusätzlich gewürgt. Der Täter ging mit unglaublicher Brutalität vor, was man alleine daran sieht, dass auch zwei Kinder ihm zum Opfer fielen. Hinterkaifeck kann heute nicht mehr besichtigt werden, da der Hof 1923 abgetragen wurde, aber ein Marterl (Gedenktafel) in der Nähe des ehemaligen Hofes erinnert noch an die Opfer. Übrigens wurde die Tatwaffe erst beim Abtragen des Hofes in einem Geheimversteck auf dem Dachboden gefunden.
Rätselhaft und bizarr sind die Begleitumstände des Mordes, die zum einen in der
Wikipedia, zum anderen auf
hinterkaifeck.net erläutert werden. Bereits am 30. März entdeckte der Bauer Gruber im Neuschnee Fußspuren, die zum Hof hinführten, aber nicht hinaus. Außerdem hatte jemand versucht, in das Motorenhäuschen einzubrechen. Gruber erzählte zwei Nachbarn davon, lehnte es aber ab, die Polizei einzuschalten. Es könnte also sein, dass der oder die Täter zwei Tage lang vom Heuboden aus unerkannt die Familie beobachteten! Noch mysteriöser wird es aber nach der Tag. So muss sich der (oder die?) Täter noch bis zum 4. April auf dem Hof befunden haben, u.a. wurde das Vieh versorgt. Am Abend des 1. April, also gut 24 Stunden nach dem Mord, beobachtete ein Handwerker, der an Hinterkaifeck vorbeilief, den Schein einer Taschenlampe sowie ein Feuer im Backofen. Es wurde spekuliert, dass der Täter im Backofen seine blutbeschmierte Kleidung verbrannt habe, aber sicher ist das nicht.
Am 4. April wird es vollends bizarr. Am Morgen trifft der Monteur Albert Hofner auf Hinterkaifeck ein. Er war von Gruber beauftragt worden, den im Motorenhäuschen befindlichen Motor zu reparieren. Zunächst traf er niemand an, hörte aber im Inneren des Hauses einen Hund bellen. Hofner nahm daher an, dass sich alle auf dem Feld befänden. Nachdem auch nach einer Stunde niemand auftauchte, führte er von 10 bis 14 Uhr die bestellte Reparatur aus und ließ den Motor probelaufen, um auf sich aufmerksam zu machen. Danach ging er ums Haus - und fand den Hund plötzlich
vor dem Haus vor - angeleint! Außerdem stand die vorher verschlossene Scheunentür auf einmal offen. Mit anderen Worten: während Hofners Anwesenheit muss eine unbekannte Person (vermutlich der Mörder oder einer der Mörder) die Tür geöffnet sowie den Hund draußen angebunden haben.
Hofner verließ Hinterkaifeck und erzählt auf dem Nachbarhof von seinen Beobachtungen. Daraufhin schickt Lorenz Schlittenbauer, der Nachbar, einen seiner Söhne sowie seinen Stiefsohn los, um nach dem Rechten zu sehen. Diese treffen niemanden an und kehren nach Hause zurück. Daraufhin macht sich Schlittenbauer Sorgen: die Tochter Cecilia wurde in der Schule vermisst, die Familie fehlte vor zwei Tagen im Sonntagsgottesdienst. Zusammen mit zwei Nachbarn und zwei seiner Söhne geht Schlittrnbauer zum Hof, dabei entdecken sie die sechs Leichen. Der Hund ist in der Scheune eingesperrt, die Scheunentür wieder zu. Offenbar hat dieselbe Person, die den Hund draußen festband, ihn in die Scheune verfrachtet. Warum?
Die Polizei, die mit der Aufklärung des Falles ein wenig überfordert schien (damals gab es in Bayern einige Fememorde, die aufs Konto von Freikorps gingen), nahm als Motiv Raubmord an. Dies kann aber ausgeschlossen werden: auf dem Hof befanden sich u.a. 1800 Goldmark sowie etliche Pfandbriefe etc. Die Grubers waren immer sehr geizig gewesen und hatten daher etliche Summen zusammengespart. Lediglich eine Schrotflinte, die sich 1921 auf dem Hof befand, ist verschwunden und auch beim Abriss des Gebäudes nicht aufgetaucht. Also ist zu vermuten, dass der oder die Täter sie an sich genommen haben.
Ich habe mir aufgrund der Quellen im Internet meine Gedanken über den Fall gemacht, zum Beispiel über die Tatverdächtigen.
Lorenz Schlittenbauer: Er hatte 1918 ein Verhältnis mit Viktoria Gabriel, wollte sie heiraten, aber Vater Gruber war dagegen. Angeblich soll Josef von ihm sein. Andererseits hatte Viktoria Gabriel jahrelang ein inzestöses Verhältnis zu ihrem Vater, so dass Gruber genausogut Josefs Erzeuger sein könnte. Lorenz Schlittenbauer benahm sich außerdem beim Auffinden der Leichen sowie im Nachhinein sehr komisch. Als Nachbar, der nur 250 m entfernt von Hinterkaifeck wohnte, hätte Schlittenbauer problemlos sich auf den Hof schleichen können. Gegen S. spricht aber die Episode mit dem Hund - zumindest sehe ich keinen rationalen Grund, warum S. in Anwesenheit des Monteurs den Hund hätte draußen anbinden sollen. Außerdem war S. als Asthmatiker rein körperlich kaum in der Lage, sechs Menschen in kurzer Zeit mit einer Kreuzhacke umzubringen.
Karl Gabriel: Ehemann Viktorias, fiel Ende 1914 im Ersten Weltkrieg. Die Ehe war angeblich nicht glücklich gewesen, da Karl Gabriel etwas vom inzestösen Verhältnis zwischen Gruber und Viktoria geahnt hat. Angeblich soll Karl Gabriel, dessen Leiche nie gefunden wurde, mit einem anderen Soldaten die Identität getauscht und 1922 nach HK zurückgekehrt sein, um sich zu rächen. Dagegen spricht jedoch, dass auch Cäzilia , vermutlich eine Tochter Karl Gabriels, ermordet wurde. Außerdem starb K.G. bereits 1914, zu jener Zeit wäre ein Identitätstausch praktisch nicht zu bewerkstelligen gewesen (in den Wirren von 1918 dagegen schon). Daher halte ich diese Spekulation für zu weit hergeholt.
Joseph Bärtl: Der geisteskranke Bäcker floh 1921 aus der Heilanstalt Günzburg und wurde nie wieder aufgegriffen, er ist bis heute verschollen. Bärtl hätte ein Motiv, sich auf dem Hof einzuschleichen und auch nach dem Mord sich dort zu verstecken: er war auf der Flucht und heimatlos. Andererseits bezweifle ich, dass Bärtl das Vieh hätte versorgen können, er war Bäcker und kein Bauer.
Adolf Gump: Adolf Gump war ein Freikorps-Mitglied und nachweislich beteiligt an der Ermordung des USPD-Politikers Gareis, außerdem hatte er sich damit gebrüstet, in Oberschlesien "neun Bauern getötet zu haben". Daher wurde am 9. April nach ihm und drei weiteren Freikorps-"Soldaten" gefahndet. In diesem Zusammenhang wurde spekuliert, dass Hinterkaifeck als Freikorps-Waffenversteck gedient habe.
Gump wäre brutal genug gewesen, um die Morde mit einer Kreuzhacke zu begehen. Außerdem hätte er ein Motiv gehabt, um auf den Hof zu bleiben. Im Jahre 1952 nahm der mit den Ermittlungen beauftrage Staatsanwalt Popp an, Gump habe ein Verhältnis mit Viktoria Gabriel gehabt. Zu Gump würde auch das Fehlen der Schrotflinte passen. Eventuell hätte Gruber am 30. März hinter den Fußspuren Gump vermutet, und daher keine Polizei einschalten wollen - dann wäre eventuell ein (hypothetisches) Waffenversteck aufgeflogen. Ein Beziehungsstreit zwischen Gump und Viktoria, verbunden mit der Drohung, die Freikorpsmitglieder zu verpfeifen, könnte gut als Auslöser für den Mord in Frage kommen.
Leider wurde das soziale Umfeld der Opfer 1922 nicht sorgfältig genug durchleuchtet, so dass eine Beziehung zwischen Gump und Viktoria reine Spekulation bleibt.
Insgesamt halte ich die Freikorps-Hypothese für die glaubwürdigste, aber auch sie basiert auf einer Spekulation.
Labels: bizarr, Hinterkaifeck, Kriminalfall