Das Element Erde


Ich kam etwas zu früh, was gelegentlich passiert, da ich immer mit Stau rechne und damit ein mögliches Verspäten kompensieren könnte.

F war gerade beim Fernsehen und starrte wie gebannt auf die täglichen Kursveränderungen der Telebörse.

Er bot mir mit einem Fingerzeig an Platz zu nehmen und meinen Mund zu halten, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.

Nach etwa 10 Minuten wurde ich etwas unruhig versuchte es mit einem vorsichtigen „ähhm“.

Dieses wurde jedoch sofort mit einem gereizten „Psst“ quittiert, was mich doch erheblich verwirrte.

Hierzu muss ich erklären, dass F nicht die Art von Mensch ist, bei der man eine Passion für Börsenkurse vermutet. Er ist eher von der handfesten Sorte und verdient sich sein Geld lieber mit dem Verkauf von Grabsteinen und kleineren Skulpturen für den Garten. Er gehört eben zu der Personengruppe, die der Ansicht zu sein scheinen, dass man nur Geld verdienen sollte, wenn man sich bei seiner Arbeit richtig dreckig machen kann.

Nach einer knappen Stunde erwachte ich aus meinem Dämmerschlaf, ein Zustand den ich gerne annehme wenn ich auf etwas warten muss und kein Buch dabei habe, durch das plötzliche Abschalten des Fernsehers.

Ich sah auf und blickte genau in F’s Augen, der mich ansah als wäre ich die kleine Heidi und er ein pädophiler Almbewohner.

Meine Reaktion auf seinen Blick muss wohl etwas dümmlich gewirkt haben, denn F schmetterte mir sein überzogenstes Walrosslachen entgegen.

Etwas angesäuert begann ich nun energischer: „ Was ist nun? Du hast mir am Telefon gesagt, das Element Erde würde mich selbst direkt betreffen.“

„Stimmt“ meinte er nur knapp aber wieder ganz bei der Sache.

Er zog sich seine Schuhe und seinen Mantel an und bedeutete mir einen Regenschirm mitzunehmen.

„Und?? Wohin soll es heute gehen? Wieder ein magischer Ort, oder irgendein Bekannter von dir, der wieder den ganzen Abend dreckige Lieder trällert?“ spöttelte ich hinter ihm her.

„Nein, wir sehen uns die Stadt an.“ war seine knappe Antwort.

Hier muss ich gestehen, dass ich Straßburg zwar für eine schöne Stadt halte und sie für einen einmaligen Besuch durchaus empfehlen kann. Wenn man jedoch zum x-ten mal dort ist und alles bereits mehrfach gesehen hat, ist eine Stadtbesichtigung nicht wirklich verführerisch.

In den nächsten 3 Stunden führte ich mit F eine Form der Kommunikation, die eher an Schwachsinnige erinnert, als an normale Sightseenaffen.

Bei jedem dritten Haus, Auto, Brötchen, Opa und, und, und  zeigte F mit dem Finger drauf und fragte:“ Was ist das?“

Ich antwortete mit den Erkenntnissen eines gelangweilten 3 Jährigen mit den sinnigen Ergebnissen:“ Das ist ein Haus, ein Auto, ein Salamibrötchen und ein alter Mann mit Hut.“

Diese faszinierende Enttarnung offensichtlicher Gegebenheiten endete erst in einem Cafe, als ich auf die Frage:“ Was ist das?“ Wobei F auf seine Schuhe deutete, die etwas ungenaue Antwort gab: „ Das ist nichtrationaler Halsnasenohrenelch, der auf einem Fass steht und mit grün-blau gestreiften Zahnärzten jongliert.“

„Nein! Das Ist Erde.“ War die knappe Antwort.

„Erde ist das materielle Element und daher statisch. Jeder Körper, jede materielle Form bedeutet Erde und ende. Damit bist du Erde, ich und alles um uns herum, wenn man es als rein materiell bezeichnet. Bei einem Ritual z.B. benutze ich das Bild einer statischen griechischen Säule und verankere mich mit der gesamten Welt um das Element Erde anzurufen. Damit bist du also selbst betroffen, genau wie ich und alles um uns herum. Einfach ausgedrückt: Erde ist DAS.“

Bernd Schäfer

 

 

 

 

       

 

 

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