Russland um 1900
Zusammen mit meinen Eltern besuchte ich gestern die Sonderausstellung "Russland um 1900", die derzeit im Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe gezeigt wird.
Am Anfang der Ausstellung fiel sofort eine Karte ins Auge, die das riesige russische Reich um 1900 zeigte - damals gehörte noch das gesamte Baltikum, Finnland sowie ein guter Teil Polens zu Russland. Darunter stand eine Vitrine mit mehreren Puppen, die Beispiele für diverse Volkstrachten ausstellt, darunter auch estnische und samische.
Kurz danach wird die Beziehung zwischen dem damaligen Zarenhof und Darmstadt verdeutlicht. Diese besteht in der Person von Prinzessin Alix, die durch die Heirat mit dem damaligen Zarewitsch (und späteren Zaren) Nikolaus II. zur Zarin Alexandra wurde.
Daher rührt auch die Russisch-Orthodoxe Kapelle auf der Mathildenhöhe, die laut Ausstellung auf russischer Erde errichtet wurde, die eigens aus allen Teilen des damaligen Reiches herbeigeschafft wurde. Die Kapelle war die einzige Hofkirche des Zaren, die sich außerhalb Russlands befand.
Die riesigen Krönungsfeierlichkeiten im Jahre 1896 wurden übrigens von den Gebrüdern Lumière dokumentiert; der erste Dokumentarfilm der Welt. Erst einige Monate zuvor war die Brüder ihren Film erfunden.
An einer anderen Stelle wurden zwei Filme parallel gezeigt: links das - recht prunkvolle - Leben der Zarenfamilie und der obersten Militärs, rechts das Leben des einfachen russischen Volkes. Diese Gegenüberstellung zeigt die gewaltigen sozialen Gegensätze im Reich auf.
Ein dritter Film ist später in der Ausstellung zu sehen: "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergej Eisenstein. Dieser Film zeigt den "Blutsonntag" und die erste russische Revolution von 1905. Eisensteins Bildersprache fand ich beeindruckend.
Die Ausstellung bot jedoch mehr als nur Filme. So wurden einige architektonische Entwurfzeichnungen für russische Gebäude aus der Zeit dargeboten. Bei der Malerei liegt der Schwerpunkt auf den Künstlerkolonien Abramzewo und Talaschkino sowie auf der Künstlervereinigung "Mir Iskusstwa" bzw. der gleichnamigen Zeitschrift. Besonders schön in diesem Bereich fand ich Möbel aus einer von Fjodor Schechtel gestalteten Jugendstilvilla. Insgesamt sind auch die Werke aus den beiden vorher genannten Künstlerkolonien, die sich oftmals auf russische Sagen und Märchen beziehen, meiner Ansicht nach ästhetisch sehr ansprechend. Der gesellschaftliche Bezug dieser Werke jedoch wurde in der Ausstellung nicht klar; eventuell gab es keinen, da die Künstlerkolonien beide von Adligen gesponsort waren. Bei "Mir Iskusstwa" meine ich mich, dass erwähnt war, dass diese Zeitschrift auf Seiten des "normalen" Volkes stand.
Eine der größten Attraktionen ist das dreiteilige Monumentalgemälde "Freude der Gerechten über den Herrn. Vor dem Paradies" von Wiktor M. Wasnezov, das aus der Wladimirkathedrale in Kiew stammt. Das 14 m breite und 3 m hohe Gemälde kann von einer eigens installierten Empore aus besichtigt werden. Das Gemälde ist gespickt mit Motiven aus der christlichen (genauer: der russisch-orthodoxen) Mythologie. Meiner Ansicht nach ist es ein wenig kitschig, außerdem sind dem Künstler die Fortsetzungen an den Schnittkanten nicht ganz gelungen.
Danach kam noch eie Abteilung "Theater" mit diversen Kostüm- und Bühnenbildentwürfen. Am Schluss kam wieder die Zeitgeschichte in den Vordergrund. In einem Seitenarm ist Rasputin auf einem Foto abgebildet, der Begleittext dazu erläutert seine Rolle am Zarenhof. Mir fiel sofort "Ra-ra-rasputin" von Boney M. bzw. Thurisas ein. Danach folgt der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Anfangs war Russland, wie man anhand beigefügter Karikaturen ("Lubosch") erkennen konnte, noch optimistisch; mehrere Künstler machten sich über Deutschland und Österreich-Ungarn lustig. Später jedoch mündete das Ganze eine militärische Niederlage, aufgrund derer sich das Volk erhob, daraus folgte die Oktoberrevolution. Die Ausstellung endet mit einer Brosche, die das Zarenpaar zeigt.
Insgesamt finde ich die Ausstellung - bis auf ein paar kleine Fehler - gelungen. Neben der Kunst wird auch das soziale Umfeld gezeigt. Es wird deutlich, dass viele Leistungen Russlands massive Opfer unter der "normalen" Bevölkerung forderten - letzten Endes wurde es dem Volk irgendwann zuviel. Ich hatte den Eindruck, dass das Zarenpaar mit der rasanten Entwicklung Russlands nicht Schritt halten konnte und sich außerdem massiv vom eigenen Volk entfremdet hatte. Daher war eine Revolution wohl unvermeidlich.
Zusammen mit meinen Eltern besuchte ich gestern die Sonderausstellung "Russland um 1900", die derzeit im Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe gezeigt wird.
Am Anfang der Ausstellung fiel sofort eine Karte ins Auge, die das riesige russische Reich um 1900 zeigte - damals gehörte noch das gesamte Baltikum, Finnland sowie ein guter Teil Polens zu Russland. Darunter stand eine Vitrine mit mehreren Puppen, die Beispiele für diverse Volkstrachten ausstellt, darunter auch estnische und samische.
Kurz danach wird die Beziehung zwischen dem damaligen Zarenhof und Darmstadt verdeutlicht. Diese besteht in der Person von Prinzessin Alix, die durch die Heirat mit dem damaligen Zarewitsch (und späteren Zaren) Nikolaus II. zur Zarin Alexandra wurde.
Daher rührt auch die Russisch-Orthodoxe Kapelle auf der Mathildenhöhe, die laut Ausstellung auf russischer Erde errichtet wurde, die eigens aus allen Teilen des damaligen Reiches herbeigeschafft wurde. Die Kapelle war die einzige Hofkirche des Zaren, die sich außerhalb Russlands befand.
Die riesigen Krönungsfeierlichkeiten im Jahre 1896 wurden übrigens von den Gebrüdern Lumière dokumentiert; der erste Dokumentarfilm der Welt. Erst einige Monate zuvor war die Brüder ihren Film erfunden.
An einer anderen Stelle wurden zwei Filme parallel gezeigt: links das - recht prunkvolle - Leben der Zarenfamilie und der obersten Militärs, rechts das Leben des einfachen russischen Volkes. Diese Gegenüberstellung zeigt die gewaltigen sozialen Gegensätze im Reich auf.
Ein dritter Film ist später in der Ausstellung zu sehen: "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergej Eisenstein. Dieser Film zeigt den "Blutsonntag" und die erste russische Revolution von 1905. Eisensteins Bildersprache fand ich beeindruckend.
Die Ausstellung bot jedoch mehr als nur Filme. So wurden einige architektonische Entwurfzeichnungen für russische Gebäude aus der Zeit dargeboten. Bei der Malerei liegt der Schwerpunkt auf den Künstlerkolonien Abramzewo und Talaschkino sowie auf der Künstlervereinigung "Mir Iskusstwa" bzw. der gleichnamigen Zeitschrift. Besonders schön in diesem Bereich fand ich Möbel aus einer von Fjodor Schechtel gestalteten Jugendstilvilla. Insgesamt sind auch die Werke aus den beiden vorher genannten Künstlerkolonien, die sich oftmals auf russische Sagen und Märchen beziehen, meiner Ansicht nach ästhetisch sehr ansprechend. Der gesellschaftliche Bezug dieser Werke jedoch wurde in der Ausstellung nicht klar; eventuell gab es keinen, da die Künstlerkolonien beide von Adligen gesponsort waren. Bei "Mir Iskusstwa" meine ich mich, dass erwähnt war, dass diese Zeitschrift auf Seiten des "normalen" Volkes stand.
Eine der größten Attraktionen ist das dreiteilige Monumentalgemälde "Freude der Gerechten über den Herrn. Vor dem Paradies" von Wiktor M. Wasnezov, das aus der Wladimirkathedrale in Kiew stammt. Das 14 m breite und 3 m hohe Gemälde kann von einer eigens installierten Empore aus besichtigt werden. Das Gemälde ist gespickt mit Motiven aus der christlichen (genauer: der russisch-orthodoxen) Mythologie. Meiner Ansicht nach ist es ein wenig kitschig, außerdem sind dem Künstler die Fortsetzungen an den Schnittkanten nicht ganz gelungen.
Danach kam noch eie Abteilung "Theater" mit diversen Kostüm- und Bühnenbildentwürfen. Am Schluss kam wieder die Zeitgeschichte in den Vordergrund. In einem Seitenarm ist Rasputin auf einem Foto abgebildet, der Begleittext dazu erläutert seine Rolle am Zarenhof. Mir fiel sofort "Ra-ra-rasputin" von Boney M. bzw. Thurisas ein. Danach folgt der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Anfangs war Russland, wie man anhand beigefügter Karikaturen ("Lubosch") erkennen konnte, noch optimistisch; mehrere Künstler machten sich über Deutschland und Österreich-Ungarn lustig. Später jedoch mündete das Ganze eine militärische Niederlage, aufgrund derer sich das Volk erhob, daraus folgte die Oktoberrevolution. Die Ausstellung endet mit einer Brosche, die das Zarenpaar zeigt.
Insgesamt finde ich die Ausstellung - bis auf ein paar kleine Fehler - gelungen. Neben der Kunst wird auch das soziale Umfeld gezeigt. Es wird deutlich, dass viele Leistungen Russlands massive Opfer unter der "normalen" Bevölkerung forderten - letzten Endes wurde es dem Volk irgendwann zuviel. Ich hatte den Eindruck, dass das Zarenpaar mit der rasanten Entwicklung Russlands nicht Schritt halten konnte und sich außerdem massiv vom eigenen Volk entfremdet hatte. Daher war eine Revolution wohl unvermeidlich.
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