Gwen: Tagebuch meiner LustZufällig habe ich auf der Website von
Schwarzkopf & Schwarzkopf ein neues Buch entdeckt:
Gwen. Tagebuch meiner Lust, verfaßt von ihr selbst und Christoph Brandhurst (
Marcel Feige). Dieses Buch ist im Prinzip eine Autobiografie - allerdings eine ziemlich krasse.
Gwen, eine junge Frau aus Gießen, beschreibt darin ihr Leben bzw. im Wesentlichen ihre sexuelle Entwicklung. Mit 13 hat sie das erste Mal Geschlechtsverkehr, verliebt sich und wird enttäuscht, als ihre Liebe sie verläßt. Durch eine danach folgende Sexaffäre im Urlaub beschliesst sie, von nun an Sex und Freundschaft komplett zu trennen. Entsprechend sieht ihr Lebensstil aus: hemmungsloser Sex mit allen möglichen Partnern, Männern wie Frauen. Mit 14 entdeckt sie durch einen wesentlich älteren Mann, dass sie BDSM-Neigungen hat (devot). Alleine diese Szene ist recht kraß beschrieben und nichts für zartbesaitete Gemüter. Danach folgen einige weitere Affären und sexuelle Abenteuer, viele davon angesiedelt im Umfeld von Metal- bzw. Gothicdiscos. Beispiele für ihre Aktivitäten sind: Blowjobs in dunklen Hauseingängen, wüste Privatparties, bei denen jeder Raum des Hauses (sogar die Toilette) von liebemachenden Paaren belegt ist, etc.. Dazu kommen noch diverse Fetischparties. Am Ende hat Gwen ihr Abitur und jobbt zur Überbrückung bis zum Studium als Bedienung in einem Swingerclub; in einem anderen nimmt sie u.a. an Gangbangs teil. Teilweise werden auch humorvolle Ereignisse geschildert, wenn etwa beim Liebesspiel in einem Club sich Gwens Korsett verknotet und sie in einem benachbarten "Spielzimmer" jemanden bitten muss, es zu öffnen.
Vermutlich denken einige Leser dieses Blogs jetzt, dass Gwen eine "furchtbare Schlampe" o.ä. sei. Hierzu ein Zitat aus dem Buch:
Ein Mann, der Frauen wie am Fließband vernascht, ist ein Held - ein Weiberheld. Frauen dagegen, die sich zu ihrer Lust, ihrem Liebesleben, ihren Träumen und Sehnsüchten bekennen, stehen schnell als Schlampen da.
Hier kann ich Gwen nur recht geben: in diesem Bereich gibt es immer noch eine gewisse gesellschaftliche Schieflage. Historische Persönlichkeiten wie Casanova und Rasputin werden von vielen bewundert. Und im Prinzip lebt Gwen auch nicht viel anders als Casanova (wenn man von ihren BDSM-Neigungen absieht, die hatte Casanova, soweit mir bekannt, nicht). Ich gebe zu, Gwens Lebensentwurf, den sie (durchaus intellektuell fundiert) im Buch vorstellt, ist extrem und sicher nicht jedermanns Sache. Ich selbst könnte so extrem auch nicht leben. Aber Gwen steht dazu, und hat, soweit es aus dem Buch hervorgeht, ihren Partnern und Partnerinnen immer offen gesagt, was Sache ist (meistens war das Sex, ab und zu auch mal Liebe dabei). Insofern sehe ich nicht ein, warum ich Gwen für ihr Verhalten moralisch verurteilen sollte.
Gwen hat übrigens ihr Leben nicht nur mit Sex verbracht, sondern sich auch sozial engagiert, u.a. als Schüler- und Kreisschulsprecherin. Auf den letzten zwei Seiten des Buches läßt sie sich über ihre Zukunftspläne aus: sie möchte Journalistin werden und Karriere machen. Diese Seiten zeigen ebenfalls: Gwen ist nicht dumm, insofern gebe ich ihr gute Chancen, dass aus ihrer Karriere etwas wird.
Anzumerken ist noch, dass das Buch sehr gut geschrieben ist. Die Wortwahl ist derb, aber dem Thema durchaus angemessen (und letzten Endes auch nicht derber als z.B. bei Henry Miller). Mir hat das Buch sehr gut gefallen.