Die Geschichte der Autobahn: Mythos und WahrheitGerade rechtsextreme Kreise betonen gerne, dass das Dritte Reich ja auch etwas Gutes hervorgebracht habe: es habe die ersten
Autobahnen in Deutschland gebaut. Eine Überprüfung der historischen Fakten ergibt, dass diese Aussage arg vereinfacht und wesentliche Details unterschlägt.
AVUS und HaFraBaDie erste Straße, die aus heutiger Sicht als Autobahn bezeichnet werden kann, war die
Automobil-Verkehrs- und Übungs-Straße (AVUS), die heute einen Teil der A 115 bei Berlin darstellt. Sie wurde 1921 eröffnet. Betrieben wurde sie von einer Privatfirma, der AVUS GmbH. Die AVUS diente zunächst vor allem als Rennstrecke.
Der Begriff "Autobahn" wurde 1929 geprägt von dem Ingenieur Robert Otzen im Jahre 1929. Robert Otzen war Vorsitzender des Vereins "Vereins zum Bau einer Straße für den Kraftwagen-Schnellverkehr von Hamburg über Frankfurt a.M. nach Basel" (
HaFraBa), der 1926 gegründet worden war mit dem Ziel, eine Schnellstraßenverbindung von Hamburg über Frankfurt nach Basel und von dort aus durch die Schweiz und Italien bis nach Genua zu errichten. Beeinflusst wurde der Verein durch den italienischen Autobahnpionier Puricelli, der 1923 die erste "Autostrada" dort gebaut hatte, von Mailand nach Como.
Eine
in diesem Artikel wiedergegebene Karte des HaFraBa-Projekts zeigt, dass der Verlauf der HaFraBa von Frankfurt bis Basel gut mit dem heutigen Verlauf der A5 übereinstimmt.
Beide Initiativen - sowohl die AVUS GmbH als auch der HaFraBa-Verein - waren rein private Initiativen. Es war geplant, den Autobahnbau durch Maut zu finanzieren. Anträge auf staatliche Förderung scheiterten. Im Gegenteil: 1927 verbot die damalige Reichsregierung, auf öffentlichen Straßen Maut zu erheben. Auch die NSDAP sprach sichgegen den Bau von Autobahnen durch die öffentliche Hand aus, laut
diesem Artikel sogar "vehement".
Auch andere Initiativen für den Bau von Fernstraßen gab es, etwa die STUFA. Aber weder die STUFA noch der HaFraBa-Verein noch die AVUS GmbH hatten jedoch, soweit mir bekannt, vor 1933 etwas mit der NSDAP zu tun.
Köln-Bonn1932 wurde die erste Autobahn, die der Öffentlichkeit zugänglich war, dem Verkehr übergeben. Sie war 20 km lang und verband Köln mit Bonn. Heute trägt sie die Bezeichnung A 555. Eröffnet wurde sie übrigens vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt Köln, Konrad Adenauer. Federführend für den Bau war die Rheinische Provinzialverwaltung. Für den Bau wurden Arbeitsbeschaffungsgelder benutzt.An diesem Bau war die NSDAP nirgends beteiligt.
1933: die ReichsautobahnenErst nach der "Machterschleichung" der Nazis am 30. Januar 1933 lenkten sie ihr Interesse auf den Autobahnbau. Am 11. Februar desselben Jahres sprach Hitler bei der Eröffnung der "Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung" in Berlin von der "Inangriffnahme und Durchführung eines großzügigen Straßenbauplanes". Daraufhin besuchte im April 1933 Willy Hof von der HaFraBa Hitler und unterbreitete ihm die Autobahnpläne des Vereins. Hitler und seine Berater müssen dabei den propagandistischen Wert der Autobahnen für ihre Zwecke erkannt haben, denn am 1. Mai 1933 verkündete Hitler den "Bau eines Straßennetzes, das nur dem Autoverkehr vorbehalten sein sollte". Nicht alle Nazis waren von der HaFraBa begeistert, wie
dieser Artikel ausführt:
Nicht wenige Nazis lehnten die Hafraba-Planungen aus ideologischen Gründen ab. Da sich unter den Mitgliedern der Hafraba mehrere Juden befanden, sah man in den "Autobahn"-Plänen eine "großkapitalistische und jüdische Interessenswirtschaft". Dennoch entstand aus den Hafraba-Plänen und -Studien die Basis für das Netz der Reichsautobahnen.
Doch von nun an ging es Schlag auf Schlag: am 18. August 1933 wurde der HaFraBa-Verein umgewandelt in die Gesellschaft zur Vorbereitung der Reichsautobahnen e.V." (GeZuVor), eine Woche später erfolgte die Gründung der Gesellschaft "Reichsautobahnen" als Tochter der Deutschen Reichsbahn. Chef dieser Organisation wurde Dr. Ing. Fritz Todt.
Die Motivation für den Bau der Reichsautobahn: Arbeitsbeschaffung und PropagandaBereits an diesem Bericht wird die Motivation der Nazis für den Autobahnbau deutlich:
Am 23. September 1933 erfolgte mit dem ersten Spatenstich Hitlers für die nach Hafraba-Plänen gebauten Teilstrecke Frankfurt-Darmstadt der Anfang des Projektes der "Reichsautobahnen". Die Zeremonie um diesen "Ersten Spatenstich" wurde mit entsprechendem Aufwand inszeniert. Die Leute der Hafraba waren dazu zwar eingeladen, durften aber nicht mehr in Erscheinung treten. Jede Erwähnung der Vorgeschichte hatte zu unterbleiben.
Überall im Reich begannen nun die Bauten für die Reichsautobahnen nach den Plänen der HaFraBa. Die Fotos der vielen, Spaten schwingenden Arbeiter wurden vom Reichspropagandaministerium gehörig ausgeschlachtet unter dem martialischen Stichwort "Arbeitsschlacht". Dabei leistete der Bau der Reichsautobahnen gar keinen soo überwältigenden Beitrag zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit:
Obgleich am Beginn der der Bauarbeiten 1933 innerhalb weniger Monate eine beachtliche Anzahl an Arbeitskräften Beschäftigung fanden, relativiert sich die Bedeutung, wenn man das gesamte "Deutsche Reich" als Maßstab nimmt. Die Baustellen mit vielen Spaten schwingenden Arbeitern - in der "Arbeitsschlacht" - ließen sich aber für die Propaganda gut gebrauchen. Zudem wurden in relativ kurzer Zeit Leistungen erbracht, die ebenfalls gut zu "vermarkten" waren. Weitaus mehr Arbeitskräfte wurden aber in die Rüstung benötigt und zunehmend vom Autobahnbau abkommandiert. Nach Kriegsausbruch 1939 verschärfte sich die Situation und brachte schließlich die Bauarbeiten zum Erliegen.
Natürlich sprach die Propaganda auch von "militärischer Bedeutung". Aber die Reichswehr selbst betrachtete die Autobahnen eher skeptisch, da eine breite Straße - breiter als jede Eisenbahnlinie - leicht mit Bombern zerstört werden konnte. Für den Transport von Kriegsgerät und Nachschub setzte die Reichswehr lieber auf die Eisenbahn, zumal damals das Eisenbahnnetz wesentlich dichter war, als es das Reichsautobahnnetz je hätte sein können.
FazitDie Motivation Hitlers, eine Autobahn zu bauen, lag vor allem in der Propaganda. Die militärische Bedeutung war gering und wurde von der Reichswehr selbst nicht so gesehen. Der Effekt auf den Arbeitsmarkt war eher gering. Was die Pläne betrifft, so wurde der HaFraBa-Verein natürlich nicht erwähnt, ebensowenig die Tatsache, dass die ersten Autobahnen (AVUS und Köln-Bonn) aus der Zeit vor 1933 datieren. Insofern haben sich die Nazis damals also mit fremden Federn geschmückt.