17.11.06

Fragwürdiges "Regionalranking"

Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM; eine Interessengruppe, die vor allem neoliberale Positionen vertritt) hat laut einem Bericht des Darmstädter Echos kürzlich ein "wissenschaftliches Regionalranking" veröffentlicht. In diesem Werk werden alle Regionen Deutschlands anhand bestimmter Kennzahlen miteinander verglichen.

Auf den ersten Blick mag das plausibel erscheinen. Prüft man jedoch nach, was hinter den Zahlen steckt, kommt man sehr schnell auf Unstimmigkeiten. Ein Beispiel bringt der o.g. Artikel: Darmstadt weist angeblich sehr viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf: auf 100 Einwohner kommen 3,01 "öffentliche Dienstler". Damit setzt die INSM Darmstadt in Hessen auf den letzten Platz. Aber nirgendwo im Werk steht, wie diese Zahl zustandekommt:
Die Zahlen aus dem Jahr 2004 stammen demnach aus der Datenbank des Statistischen Bundesamtes – ?und lassen keine näheren Aufschlüsse zu“, räumt Buchweitz ein.

So speise zwar die Stadtverwaltung die Zahl der ?öffentlich Beschäftigten“, aber ?wohl auch“ das Regierungspräsidium, was eben nicht jede Stadt vorzuweisen hat. Doch über dessen Existenz ist man in Köln ohnehin nicht informiert. Unklar bleibt daher auch, ob zum Beispiel das in Darmstadt angesiedelte Landratsamt des Kreises zu dieser Statistik beiträgt.
Angesichts dieser Fakten stellt sich für mich die Frage, ob die Anzahl der öffentlichen Beschäftigten wirklich relevant ist für ein Unternehmen. Sie könnte höchstens positiv sein, z.B. für Anbieter privater Krankenversicherungen, die von Beamten gerne abgeschlossen werden.

Auch in anderen Punkten halte ich die Studie für zweifelhaft:
So wird Darmstadt zwar zum Hessen-Sieger erklärt beim Beschäftigtenanteil der Hochqualifizierten und erhält zudem hohe Werte bei der Wirtschaftsleistung je Einwohner. Aber eine Folge davon, nämlich überdurchschnittlich gute Einkommensverhältnisse (mit 34 054 Euro Bruttolohn pro Kopf und Jahr auf Rang 13 in Deutschland), wird wenige Sätze weiter negativ vermerkt:
Warum ist es negativ, wenn die Einwohner einer Stadt überdurchschnittlich gut verdienen? Mir fallen höchstens positive Gründe ein: viel Geld pro Einwohner bedeutet auch viel Kaufkraft - gut für den Einzelhandel. Vermutlich steckt dahinter eine "manchesterkapitalistische" Ideologie, nach der die arbeitende Bevölkerung möglichst wenig verdienen soll. Aus einer solchen Sicht wäre die Zahl tatsächlich negativ. Hier zeigt sich, dass zwischen den Zahlen jede Menge Ideologie verborgen ist - in diesem Fall eine Ideologie, die ich massiv ablehne.

Aufgrund dieser Tatsachen halte ich das "Regionalranking" für weitestgehend irrelevant. Einen echten Vergleich liefert es nicht. Ein Unternehmen, das z.B. auf der Suche nach einem neuen Standort ist, sollte sich eher nicht am "Regionalranking" orientieren.

2 Kommentare:

Anonymous Sven meinte...

Mit ihrer Bewertung/Interpretation statistischen Zahlenmaterials kann man mehr über die Wertmaßstäbe der INSM herauskriegen als über irgendwelche tatsächliche "Werte" irgendwelcher Regionen - aber das finde ich durchaus positiv, denn das macht diese dubiose Truppe wieder etwas transparenter...

12:36 PM  
Anonymous MartinM meinte...

Ein gutes Thema für die "Bissigen Liberalen". Vor allem, da da hin und wieder INSM-Fans vobeisehen.

5:24 PM  

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