Hindenburgstraße umbenennen?
Seit einigen Monaten tobt in Darmstadt die Debatte, die Hindenburgstraße, die den Namen immerhin 90 Jahre lang trägt, umzubenennen nach Marion Gräfin Dönhoff. Ich habe lange überlegt, was ich davon halten soll, in diversen Zeitungen (Darmstädter Echo, Arheilger Post) die Argumente für und wider gewälzt. Mein Schluss aus den ganzen Debatten: ich bin gegen eine Umbenennung.
Meine Gründe sind vielfältig. Zum einen bedeutet die Umbenennung einigen Aufwand für die Anwohner. Visitenkarten, Briefköpfe etc. müssen geändert werden. Außerdem kommen Kosten auf die Stadt zu,
Ich bin der Auffassung, dass Straßen und Plätze, die nach Verbrechern, Diktatoren oder/oder Tyrannen umd/oder Rassisten benannt wurden, auf jeden Fall umzutaufen sind. Beispiele dafür sind Hitler und Stalin; ich finde es daher richtig, dass z.B. die Stalinallee in Berlin nicht mehr Stalins Namen trägt. Aber: fällt Hindenburg in diese Kategorie?
Ich sollte vorausschicken, dass mein Großvater mütterlicherseits 1925 Hauslehrer wurde bei Hindenburgs Enkel. Daher kannte mein Großvater Hindenburg persönlich. Im Nachlaß meines Großvaters stieß ich eines Tages auf etliche Zeitungen, die er gesammelt hatte. Alle hatten den gleichen Aufmacher: "Reichspräsident Hindenburg gestorben". Mein Großvater hatte sogar ein Bild Hindenburgs im Wohnzimmer hängen, das im Krieg allerdings verlorenging. Insofern war mein Großvater der einzige meiner Vorfahren, von dem ich weiß, dass er ein Staatsoberhaupt persönlich gekannt hat. Von daher habe ich mir vor Jahren eine Biografie Hindenburgs besorgt, die übrigens sehr positiv geschrieben war (insofern nicht ganz objektiv).
Hindenburg war sicherlich keine Ikone der Demokratie, und ein guter Demokrat war er sicher nicht. Vor allem ist er in die Geschichte eingegangen als derjenige, der am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler machte, und damit eine gewisse Mitverantwortung trägt für die Installation des Dritten Reiches. Aber war es Hindenburg alleine? Was war seine Motivation?
Um das herauszufinden, habe ich in der Wikipedia und in Geschichtsbüchern recherchiert und mich intensiv mit den Jahre 1930-1933 befaßt - Ende der Weimarer Republik, Weltwirtschaftskrise, Präsidialkabinette, Notverordnungen, Chaos im Reichstag, Chaos in Deutschland, Aufstieg der NSDAP zur stärksten Partei. Dabei ist mir aufgefallen, dass Hindenburg 1932, unterstützt von allen demokratischen Parteien incl. der SPD, bei der Reichspräsidentenwahl gegen Hitler angetreten war. Damals war er ein energischer Gegner der Nazis gewesen und hatte Hitler regelrecht verachtet als "böhmischen Gefreiten", der es im 1. Weltkrieg nicht allzu weit gebracht hatte. Warum hat er 1933 dann trotzdem Hitler zum Reichskanzler ernannt?
Mit sind einige Sachen aufgefallen. Hindenburg war Anfang 1933 bereits 83 Jahre alt, und laut glaubwürdigen Aussagen bereits senil. Aufgrund seiner zunehmenden Senilität geriet er immer mehr unter den Einfluß der sog. "Kamarilla", ein Kreis reaktionärer Berater, der u.a. aus seinem "nicht in der Verfassung vorgesehenen Sohn" Oskar von Hindenburg bestand. In diesem Kreis gab es u.a. einen gewissen Franz von Papen, der selbst 1932 Reichskanzler gewesen war, wobei er u.a. den Staat Preußen zertrümmerte ("Preußenschlag"). Nachdem Hindenburg ihn am 3. Dezember 1932 als Reichskanzler abgesetzt hatte, traf sich von Papen Anfang Januar 1933 hinter dem Rücken Hindenburgs heimlich mit Hitler, um über eine Regierung unter NSDAP-Beteiligung zu beraten, mit von Papen als Vizekanzler:
Hindenburg machte also Hitler zum Reichskanzler, um dem Druck, der auf ihm lastete, zu entgehen. Es war nicht seine Motivation, ein Drittes Reich zu errichten; unter dem Einfuß Franz von Papens sah er den Reichskanzler Hitler vermutlich als vorübergehende Erscheinung, die bald von Papen an die Wand gedrückt werdem würde. Wie wir alle wissen, hat Hitler sich nicht daran gehalten. Im Nachhinein betrachtet erscheint von Papens Plan ausgesprochen naiv und dämlich.
Damit mich keiner falsch versteht: es bleibt letzten Endes Hindenburgs Verantwortung, Hitler zum Reichskanzler zu machen, da gibt es nichts zu deuteln. Außerdem war Hindenburg, obwohl demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt, definitiv kein Demokrat - ein Rassist oder Antisemit war er allerdings nicht (zumindest sind mir keine derartigen Äußerungen Hindenburgs bekannt). Aber würde man bei allen Straßennamensgeber demokratisches Denken fordern, dann müßten alle Bismarckstraßen und -plätze in Deutschland ebenfalls umbenannt werden, außerdem zahllose Straßen, die nach Fürsten benannt sind, darunter auch der zentral in Darmstadt liegende Luisenplatz (Straßenbahn- und Busknotenpunkt). Das wird sicher keiner wollen. Also bin ich gegen eine Umbenennung der Hindenburgstraße.
Marion Gräfin Dönhoff hat trotzdem eine Straße verdient. Sicher läßt sich in einem Neubaugebiet etwas Passendes finden.
Übrigens habe ich den bösen Verdacht, dass die ganze Umbenennungsdebatte nur von anderen Darmstädter Problemen ablenken soll.
Seit einigen Monaten tobt in Darmstadt die Debatte, die Hindenburgstraße, die den Namen immerhin 90 Jahre lang trägt, umzubenennen nach Marion Gräfin Dönhoff. Ich habe lange überlegt, was ich davon halten soll, in diversen Zeitungen (Darmstädter Echo, Arheilger Post) die Argumente für und wider gewälzt. Mein Schluss aus den ganzen Debatten: ich bin gegen eine Umbenennung.
Meine Gründe sind vielfältig. Zum einen bedeutet die Umbenennung einigen Aufwand für die Anwohner. Visitenkarten, Briefköpfe etc. müssen geändert werden. Außerdem kommen Kosten auf die Stadt zu,
Ich bin der Auffassung, dass Straßen und Plätze, die nach Verbrechern, Diktatoren oder/oder Tyrannen umd/oder Rassisten benannt wurden, auf jeden Fall umzutaufen sind. Beispiele dafür sind Hitler und Stalin; ich finde es daher richtig, dass z.B. die Stalinallee in Berlin nicht mehr Stalins Namen trägt. Aber: fällt Hindenburg in diese Kategorie?
Ich sollte vorausschicken, dass mein Großvater mütterlicherseits 1925 Hauslehrer wurde bei Hindenburgs Enkel. Daher kannte mein Großvater Hindenburg persönlich. Im Nachlaß meines Großvaters stieß ich eines Tages auf etliche Zeitungen, die er gesammelt hatte. Alle hatten den gleichen Aufmacher: "Reichspräsident Hindenburg gestorben". Mein Großvater hatte sogar ein Bild Hindenburgs im Wohnzimmer hängen, das im Krieg allerdings verlorenging. Insofern war mein Großvater der einzige meiner Vorfahren, von dem ich weiß, dass er ein Staatsoberhaupt persönlich gekannt hat. Von daher habe ich mir vor Jahren eine Biografie Hindenburgs besorgt, die übrigens sehr positiv geschrieben war (insofern nicht ganz objektiv).
Hindenburg war sicherlich keine Ikone der Demokratie, und ein guter Demokrat war er sicher nicht. Vor allem ist er in die Geschichte eingegangen als derjenige, der am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler machte, und damit eine gewisse Mitverantwortung trägt für die Installation des Dritten Reiches. Aber war es Hindenburg alleine? Was war seine Motivation?
Um das herauszufinden, habe ich in der Wikipedia und in Geschichtsbüchern recherchiert und mich intensiv mit den Jahre 1930-1933 befaßt - Ende der Weimarer Republik, Weltwirtschaftskrise, Präsidialkabinette, Notverordnungen, Chaos im Reichstag, Chaos in Deutschland, Aufstieg der NSDAP zur stärksten Partei. Dabei ist mir aufgefallen, dass Hindenburg 1932, unterstützt von allen demokratischen Parteien incl. der SPD, bei der Reichspräsidentenwahl gegen Hitler angetreten war. Damals war er ein energischer Gegner der Nazis gewesen und hatte Hitler regelrecht verachtet als "böhmischen Gefreiten", der es im 1. Weltkrieg nicht allzu weit gebracht hatte. Warum hat er 1933 dann trotzdem Hitler zum Reichskanzler ernannt?
Mit sind einige Sachen aufgefallen. Hindenburg war Anfang 1933 bereits 83 Jahre alt, und laut glaubwürdigen Aussagen bereits senil. Aufgrund seiner zunehmenden Senilität geriet er immer mehr unter den Einfluß der sog. "Kamarilla", ein Kreis reaktionärer Berater, der u.a. aus seinem "nicht in der Verfassung vorgesehenen Sohn" Oskar von Hindenburg bestand. In diesem Kreis gab es u.a. einen gewissen Franz von Papen, der selbst 1932 Reichskanzler gewesen war, wobei er u.a. den Staat Preußen zertrümmerte ("Preußenschlag"). Nachdem Hindenburg ihn am 3. Dezember 1932 als Reichskanzler abgesetzt hatte, traf sich von Papen Anfang Januar 1933 hinter dem Rücken Hindenburgs heimlich mit Hitler, um über eine Regierung unter NSDAP-Beteiligung zu beraten, mit von Papen als Vizekanzler:
Von Papens Plan war es, Hitler "einzurahmen“, ihn und seine Stimmen zu kaufen und in Wirklichkeit selbst die Macht auszuüben ("In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, daß er quietscht", soll er gesagt haben).(Quelle: Wikipedia). Daraufhin begann die Kamarilla, Hindenburg zu bearbeiten. auf dass er Hitler zum Reichskanzler ernenne. Der Osthilfeskandal, durch den Hindenburg noch mehr unter Druck geriet, tat ein Übriges,
Hindenburg machte also Hitler zum Reichskanzler, um dem Druck, der auf ihm lastete, zu entgehen. Es war nicht seine Motivation, ein Drittes Reich zu errichten; unter dem Einfuß Franz von Papens sah er den Reichskanzler Hitler vermutlich als vorübergehende Erscheinung, die bald von Papen an die Wand gedrückt werdem würde. Wie wir alle wissen, hat Hitler sich nicht daran gehalten. Im Nachhinein betrachtet erscheint von Papens Plan ausgesprochen naiv und dämlich.
Damit mich keiner falsch versteht: es bleibt letzten Endes Hindenburgs Verantwortung, Hitler zum Reichskanzler zu machen, da gibt es nichts zu deuteln. Außerdem war Hindenburg, obwohl demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt, definitiv kein Demokrat - ein Rassist oder Antisemit war er allerdings nicht (zumindest sind mir keine derartigen Äußerungen Hindenburgs bekannt). Aber würde man bei allen Straßennamensgeber demokratisches Denken fordern, dann müßten alle Bismarckstraßen und -plätze in Deutschland ebenfalls umbenannt werden, außerdem zahllose Straßen, die nach Fürsten benannt sind, darunter auch der zentral in Darmstadt liegende Luisenplatz (Straßenbahn- und Busknotenpunkt). Das wird sicher keiner wollen. Also bin ich gegen eine Umbenennung der Hindenburgstraße.
Marion Gräfin Dönhoff hat trotzdem eine Straße verdient. Sicher läßt sich in einem Neubaugebiet etwas Passendes finden.
Übrigens habe ich den bösen Verdacht, dass die ganze Umbenennungsdebatte nur von anderen Darmstädter Problemen ablenken soll.
2 Kommentare:
Ui, das fällt denen aber früh auf dass da noch so'ne Straße rumhängt *lol*
Es gab vor einige Jahren in Hamburg, im vor-Ole-von-Beust-Zeitaler, eine ähnliche Diskussion um Straßenname in Hamburg (u. A. ging es auch um die "Hindenburgstraße"). Diese Diskussion kam im Laufe der Jahre von Hundersten ins Tausende, z. B. verlangete die GAL, dass z. B. die Reichsbahnstraße umzubennnen sei.
Das Ganze war meiner Ansicht nach eine klassische "Stellvertreterdebatte" - die GAL konnte z. B. die SPD-Kulturpolitik nicht offen angreifen, weil sie dieser immer noch näher war als den Vorstellungen der CDU. Indiz: seitdem der flotte Ole in Hamburg regiert, hat sich die Straßennamendebatte auf die unterste kommunale Ebene zurückgezogen.
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