6.5.06

Die Apokalyptische Matrix

Diesen Beitrag habe ich bei MM gefunden. Ich halte ihn für so wesentlich, dass ich, entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten, wesentliche Teile des Beitrags in mein Weblog kopiere.

Victor und Victoria Trimondi haben im Namen der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung das apokalyptische Denken verschiedener Weltreligionen (bzw. gewisser fundamentalistischer Unterströmungen dieser Weltreligionen) analysiert und in einem Artikel "Die Apokalyptische Matrix" zusammengefaßt, der auch auf der Website der Giordano-Bruno-Stiftung als PDF-Datei heruntergeladen werden kann. Auf ihrer eigenen Website fassen sie zusammen:
Die apokalyptischen Matrix hat die Form eines "Dramas“ vom Untergang der Welt und ihrer Neuerstehung. Sie weist in allen Glaubensrichtungen die folgenden gleichen Inhalte, Handlungsabläufe und Zielrichtungen auf:

1. Die Geschichte der Menschheit ist der irdische Ausdruck eines kosmischen Krieges zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis. In diesem universellen Kampf stehen sich Gott und Satan, Engel und Teufel, Oberwelt und Unterwelt als unversöhnliche Feinde gegenüber. Wenn sich die Weltgeschichte der apokalyptischen Entscheidungsschlacht nähert, ist jeder Mensch gezwungen, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.

2. Die gegenwärtige Periode in der Menschheitsgeschichte ist gekennzeichnet durch die zunehmende Herrschaft des Bösen, die sich ausdrückt im sittlichem Verfall und sexuellen Exzessen, in Ungläubigkeit, Korruption, Krieg, Gewalt, Ungerechtigkeiten, Verbrechen, Seuchen, Naturkatastrophen und Wirtschaftskrisen. Die Gegenwart, so wie sie ist, wird radikal abgelehnt.

3. Ein Dämon, der Satan oder dessen Stellvertreter, ergreift die Gewaltherrschaft über diese Welt der Niedertracht. Mit Vorspiegelungen, Betrug, Hinterhältigkeit, Manipulation, Terror und Mord zwingt er einen Großteil der Menschheit unter sein Kommando und wird zum Weltenherrscher. Dann versucht er nach dem Throne Gottes zu greifen.

4. Kurz bevor der satanische Welt-Imperator alle seine Ziele erreichen kann, inkarniert sich im letzten Augenblick das Gute in der Gestalt eines "Militanten Messias“, der als Anführer einer "kosmischen Armee“ aus Menschen und Überwesen (Engeln, Göttern, Heroen) mit extremer Härte, mit Zorn und mit gnadenloser Grausamkeit gegen die "Koalition des Bösen“, den Teufel und sein Pandämonium antritt und diese dann endgültig vernichtet. Beide Parteien kämpfen mit allen Arten von Massenvernichtungswaffen und setzen auch Naturkatastrophen und Seuchen als Kampfmittel gegeneinander ein.

5. Die Anhänger des "Militanten Messias“ bezeichnen sich als "Gotteskrieger“, die bereitwillig das Martyrium auf sich nehmen, um dadurch sofortige "Erlösung“ zu erlangen.

6. Vernichtet werden am Ende alle, die nicht den "wahren“ Glauben haben, erlöst werden dagegen alle Rechtgläubigen. Diejenigen, welche die apokalyptischen Kriege überleben, müssen sich einem Gericht stellen, das die restlichen Rebellen und Ungläubigen zu unsäglichen Höllenqualen verurteilt.

7. Nach seinem triumphalen Sieg über das Böse errichtet der "Militante Messias“ einen weltweiten, autoritativen "Gottesstaat“ (eine Theokratie oder eine Buddhokratie) mit dem eigenen Glauben als einziger Religion. Ein totalitärer Staat, in dem alle Gesetze von "Gott“ und nicht von den Menschen erlassen werden, in dem die absolute Macht durch ein militantes Priesterkönigtum ausgeübt wird und in dem die Frauen eine untergeordnete Rolle spielen, ist das Ziel jeder traditionellen Endzeitvision. Dieser religiöse Machtstaat wird in den apokalyptischen Schriften als das "Paradies auf Erden“ beschrieben.

8. 1000 Jahre (ein Millennium) lang dauert dieses paradiesische "Reich des Guten“. Danach geht es ebenfalls unter und der gesamte Planet Erde wird vernichtet.

Die allgemeine Gültigkeit der apokalyptischen Matrix für alle Glaubensrichtungen zeigt jedoch die ganze Absurdität des messianischen Endzeit-Wahns. Obgleich sie sich in einen gegenseitigen "Heiligen Krieg“ verstricken und sich in einer Konkurrenz um die Erlangung der Weltenherrschaft befinden, teilen die Apokalyptiker aller Religionen sehr ähnliche traditionalistische Wertvorstellungen insbesondere in ihrer konservativen Haltung gegenüber der Geschlechterfrage. Auch in ihren politischen Visionen ähneln sie sich. Vertreter der amerikanischen Christlichen Rechte, religiöse Zionisten, revolutionäre Islamisten, Hindu-Fundamentalisten und Dalai Lama Anhänger alle träumen von einer globalen Theokratie (bzw. Buddhokratie) ihres jeweiligen Höchsten Wesens. Insofern ist es im eigentlichen Sinne falsch vom "Kampf der Kulturen“ zu sprechen, denn die sich gegenseitig bekriegende "Kultur-Muster“ decken sich inhaltlich, strukturell und programmatisch in vielen Punkten. Die "Guten“ und die "Bösen“ im apokalyptischen Welttheater sind einander sich bekämpfende "Brüder“, die vom selben zerstörerischen dualistischen Geist, wenn auch jeweils mit umgekehrtem Vorzeichen, getrieben werden.
Wie MM möchte ich anmerken, dass ich die Einbeziehung der Dalai-Lama-Anhänger in den Kanon der Apokalyptiker für falsch halte. Ebenso stößt mir die Religionsfeindlichkeit der Trimondis sauer auf. Dennoch enthält der Artikel meiner Ansicht nach einen wahren Kern. Die strukturellen Parallelen zwischen Fundamentalisten verschiedener Religionen sind nicht zu übersehen. Das fatale daran ist, dass genau diese Strukturen benutzt werden, um übelste Gräueltaten, wie etwa die Terroranschläge vom 11. September 2001, zu rechtfertigen, ja sie quasi als "gottgewollt" hinzustellen. Daher sehe ich es als wichtig an, dieses Denken zu bekämpfen. Ein erster Schritt dazu ist, die Denkstrukturen offenzulegen - was ich hiermit getan habe (genauer: was ich hiermit hoffe getan zu haben).

1 Kommentare:

Anonymous ulysses meinte...

Auch die Anwort auf die 9/11-Anschläge wird von den "Willigen" gerne als "gottgewollt" dargestellt. Bekriegen sich hier also zwei Götter? Oder lässt ein einziger Gott seine Menschlein gegeneinder antreten, um die Gewalttätigen von den Friedfertigen zu trennen? - Das wäre dann - weiß Gott ;-) - auch gottgewollt.

Was die Trimondis betrifft: fanatische Antireligöse tragen auch eine "Religion" in sich: ihr sinngebendes Ganzes ist der Kampf gegen die Sinnorientierung der anderen Religionsanhänger.

Dein Kampf gegen das "gottgewollte" Denken und Handeln muss unterstützt werden; demnächst in meinem Blog ... :-)

10:24 AM  

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