10.11.05

Anti-Nazi-Button strafbar wegen durchgestrichenem Hakenkreuz

Das Amtsgericht Tübingen verurteilte gestern einen Studenten wegen des "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Der Student hatte auf einer Demo einen Anti-Nazi-Button getragen, der ein durchgestrichenes Hakenkreuz zeigt. Einzelheiten siehe Bericht im Schwäbischen Tagblatt. Besonders skurril mutet die Begründung des Staatsanwalts für die Anklage an: "Japanische Touristen" müssten vor den Hakenkreuzen geschützt werden, auch wenn sie durchgestrichen seien.

Udo Vetter setzte sich im Law Blog ausführlich damit auseinander:
Verständlich ist die Entscheidung nicht.

Der angeblich verletzte § 86a Strafgesetzbuch bestraft ?die abstrakte Gefahr einer inhaltlichen Identifizierung mit dem Bedeutungsgehalt symbolträchtiger Kennzeichen, deren ? Verwendung den Anschein erwecken könnte, verfassungswidrige Organisationen könnten trotz ihres Verbots ungehindert ihre Wiederbelebung betreiben? (Tröndle/Fischer, StGB, § 86a Randnummer 1). Dieser Eindruck wird natürlich nicht von Leuten erweckt, die gegen diese Bestrebungen demonstrieren.

Das Argument des Gerichts, solche Symbole sollten grundsätzlich aus der öffentlichen Wahrnehmung herausgehalten werden, geht sogar deutlich darüber hinaus. Gegen eine solche Tabuisierung spricht schon, dass umfangreiche Ausnahmen gelten.


Meiner Ansicht nach hat das Tübinger Gericht die Intentionen des § 86a nicht verstanden. Bei diesem Paragraphen ging (und geht) es dem Gesetzgeber darum, zu verhindern, dass alte und neue Nazi-Organisationen unter den alten Symbolen munter auf eine Wiederbelebung des Dritten Reiches o.ä. hinarbeiten. Ein Button, auf dem das Hakenkreuz durchgestrichen ist, zeigt dagegen klar das Gegenteil, nämlich dass der Träger den Nationalsozialismus strikt ablehnt. Insofern kann ich über diese Gerichtsentscheidung nur den Kopf schütteln, ja empfinde sie sogar als peinlich. Abgesehen davon kann ich nicht nachvollziehen, warum der Staatsanwalt die Wahrnehmung japanischer Touristen als Massstab der Rechtsprechung heranziehen will - wobei auch japanische Touristen verstehen dürften, dass ein durchgestrichenes Hakenkreuz für "Gegen Nazis" steht.

Der Student will gegen die Entscheidung Berufung einlegen. Ich wünsche ihm alles Gute, auf dass die nächste Instanz vernünftig entscheiden möge.