Kontaktschuld oder Extremismus "by infection"
In den Siebziger und Achtziger Jahren war das Thema RAF in der damaligen Bundesrepublik Deutschland (West) stets aktuell. Zur RAF gehörte auch eine gewisse Sympathisantenszene. Wie groß diese war, sei jetzt dahingestellt; jedenfalls entschloss sich der Verfassungsschutz, diese Sympathisantenszene im Auge zu behalten.
Aber wie stellt man fest, wer RAF-Sympathisant ist - außer in offensichtlichen Fällen (jemand verteilt entsprechende Flugblätter o.ä.)? Mit dem Aufkommen der EDV verfiel der Verfassungsschutz eines Tages auf eine glorreiche Idee: Es wurden u.a. alle Personen registriert, die Kontakte mit bereits bekannten RAF-Sympathisanten hatten. Wenn zum Beispiel ein Zug die westdeutsche Grenze passierte (etwa auf den Transitstrecken ins damalige West-Berlin), dann wurde die Ausweise kontrolliert. Wenn nun in einem Abteil ein bekannter RAF-Sympathisant saß, dann wurden alle Mitreisenden, die im selben Abteil saßen, ebenfalls als RAF-Sympathisanten registriert. Wenn diese "neuen RAF-Sympathisanten" dann wieder im Zug die Grenze passierten, dann wurden diejenigen, die nun im Abteil saßen, ebenfalls zu "RAF-Sympathisanten". Das alles lief unter dem Stichwort "Rasterfahdung". Auf diese Weise füllten sich die Datenspeicher des Verfassungsschutzes mit immer mehr "RAF-Sympathisanten". Offenbar scheint der Verfassungsschutz davon ausgegangen zu sein, dass sich politischer Extremismus ähnlich wie eine Epidemie verbreitet, so dass ein Beisammensein mit einem "RAF-Sympathisanten" ansteckend wirkt.
Einer der ersten, der diese Rasterfahndung entdeckte, war der damalige Hamburger Datenschutzbeauftragte, ein gewisser Herr Lochte (übrigens CDU-Mitglied, als solcher frei von jedem Verdacht der RAF-Sympathisanz). Er brachte dies in einem Spiegel-Interview vor und bezeichnete es (treffenderweise) als Unfug (nicht wortwörtlich, aber sinngemäß). Unter anderem auf seine Kritik hin stellte der Verfassungsschutz, soviel ich weiss, diese "Rasterfahndung" ein und löschte eine Menge "RAF-Sympathisanten" von seinen Bändern(damals waren das noch Bänder, auf denen Daten gespeichert wurden). Hätte man die "Rasterfahndung" in dieser Weise fortgeführt, dann wären früher oder später wohl praktisch alle Einwohner Deutschlands zu "RAF-Sympathisanten" geworden.
DIe RAF gibt es nun nicht mehr. Aber das Beispiel ist leider in gewisser Weise noch aktuell. Denn es gibt noch immer Menschen, die ernsthaft an "Kontaktschuld" glauben. Wenn jemand zum Beispiel Vorstand in einem Verein ist, in dem zwei Mitglieder erwiesenermaßen eine rechtsradikale Gesinnung haben, dass muss er (der Vorstand) ebenfalls von Rechtsradikalismus "befallen" sein. Ja, vermutlich verbreitet sich Rechtsextremismus über winzige, hakenkreuzförmige Bakterien, die sog. "Faschistokokken" :-) Die springen sofort auf jeden über, der sich mit einem Nazi im selben Raum befindet. Man stelle es sich mal vor: da besuchen mehrere Zehntausend Menschen ein Rockfestival, und dann ist ein Nazi darunter. Uiuiui! Alle sofort infiziert! :-D
Komisch ist nur, dass sich "gute" Gesinnungen niemals auf diese Weise übertragen...
Um Mißverständnissen vorzubeugen: es liegt mir fern, das Problem des heutigen Rechtsradikalismus in irgendeiner Form zu verharmlosen oder zu verniedlichen. Aber um festzustellen, ob jemand rechts ist oder nicht, reicht es nicht aus, seine Kontakte zu überprüfen.
In den Siebziger und Achtziger Jahren war das Thema RAF in der damaligen Bundesrepublik Deutschland (West) stets aktuell. Zur RAF gehörte auch eine gewisse Sympathisantenszene. Wie groß diese war, sei jetzt dahingestellt; jedenfalls entschloss sich der Verfassungsschutz, diese Sympathisantenszene im Auge zu behalten.
Aber wie stellt man fest, wer RAF-Sympathisant ist - außer in offensichtlichen Fällen (jemand verteilt entsprechende Flugblätter o.ä.)? Mit dem Aufkommen der EDV verfiel der Verfassungsschutz eines Tages auf eine glorreiche Idee: Es wurden u.a. alle Personen registriert, die Kontakte mit bereits bekannten RAF-Sympathisanten hatten. Wenn zum Beispiel ein Zug die westdeutsche Grenze passierte (etwa auf den Transitstrecken ins damalige West-Berlin), dann wurde die Ausweise kontrolliert. Wenn nun in einem Abteil ein bekannter RAF-Sympathisant saß, dann wurden alle Mitreisenden, die im selben Abteil saßen, ebenfalls als RAF-Sympathisanten registriert. Wenn diese "neuen RAF-Sympathisanten" dann wieder im Zug die Grenze passierten, dann wurden diejenigen, die nun im Abteil saßen, ebenfalls zu "RAF-Sympathisanten". Das alles lief unter dem Stichwort "Rasterfahdung". Auf diese Weise füllten sich die Datenspeicher des Verfassungsschutzes mit immer mehr "RAF-Sympathisanten". Offenbar scheint der Verfassungsschutz davon ausgegangen zu sein, dass sich politischer Extremismus ähnlich wie eine Epidemie verbreitet, so dass ein Beisammensein mit einem "RAF-Sympathisanten" ansteckend wirkt.
Einer der ersten, der diese Rasterfahndung entdeckte, war der damalige Hamburger Datenschutzbeauftragte, ein gewisser Herr Lochte (übrigens CDU-Mitglied, als solcher frei von jedem Verdacht der RAF-Sympathisanz). Er brachte dies in einem Spiegel-Interview vor und bezeichnete es (treffenderweise) als Unfug (nicht wortwörtlich, aber sinngemäß). Unter anderem auf seine Kritik hin stellte der Verfassungsschutz, soviel ich weiss, diese "Rasterfahndung" ein und löschte eine Menge "RAF-Sympathisanten" von seinen Bändern(damals waren das noch Bänder, auf denen Daten gespeichert wurden). Hätte man die "Rasterfahndung" in dieser Weise fortgeführt, dann wären früher oder später wohl praktisch alle Einwohner Deutschlands zu "RAF-Sympathisanten" geworden.
DIe RAF gibt es nun nicht mehr. Aber das Beispiel ist leider in gewisser Weise noch aktuell. Denn es gibt noch immer Menschen, die ernsthaft an "Kontaktschuld" glauben. Wenn jemand zum Beispiel Vorstand in einem Verein ist, in dem zwei Mitglieder erwiesenermaßen eine rechtsradikale Gesinnung haben, dass muss er (der Vorstand) ebenfalls von Rechtsradikalismus "befallen" sein. Ja, vermutlich verbreitet sich Rechtsextremismus über winzige, hakenkreuzförmige Bakterien, die sog. "Faschistokokken" :-) Die springen sofort auf jeden über, der sich mit einem Nazi im selben Raum befindet. Man stelle es sich mal vor: da besuchen mehrere Zehntausend Menschen ein Rockfestival, und dann ist ein Nazi darunter. Uiuiui! Alle sofort infiziert! :-D
Komisch ist nur, dass sich "gute" Gesinnungen niemals auf diese Weise übertragen...
Um Mißverständnissen vorzubeugen: es liegt mir fern, das Problem des heutigen Rechtsradikalismus in irgendeiner Form zu verharmlosen oder zu verniedlichen. Aber um festzustellen, ob jemand rechts ist oder nicht, reicht es nicht aus, seine Kontakte zu überprüfen.
8 Kommentare:
Ich bin mir grade überhaupt nicht sicher, ob Du da einen konkreten Verein oder Vorgang meinst. Falls ja, weiß ich nicht, welchen, insoweit bezieht sich meine Anmerkung zu Deinem Vergleich auf ein fiktives Beispiel.
Jedenfalls kannst Du m.E. nicht den Vorgang, eine "Täter-Beziehung", die aus einer rein willkürlichen Zusammenstellung (zufällig im selben Zug) vergleichen mit einem Vereinsvorstand. Natürlich wird ein Vorstandsmitglied nicht rechtsradikal, weil ein anderes Vorstandsmitglied rechtsradikal ist. Aber es fehlt natürlich das Willkürliche und die Frage, wie ein Verein und ein Vorstand es zulassen kann, daß ein Rechtsradikaler einen leitenden Posten einnimmt liegt mehr als auf der Hand. Im Gegensatz zu der Frage, warum man _unwissenderweise_ denselben Zug besteigt wie ein RAF-Terrorist. Bei ersterem geht es um gemeinsame ideologische und Arbeits-Ziele. Darum gehts im Zug natürlich nicht. Beim Verein geht es darum, wissentlich mit einem Rechtsradikalen zusammenzuarbeiten, im Zug natürlich nicht, das ist ein reines Reiseinstrument.
Wie gesagt, ich weiß nicht, ob es einen konkreten Anlass für diesen Vergleich gibt, aber er funktioniert schon auf unkonkreter Ebene nicht.
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Das war offenbar mißverständlich formuliert. Ich meinte einen Verein, in dem zwei normale Mitglieder (die beide NICHT Mitglieder des Vorstands sind) rechtsradikal sind. Dann erübrigen sich die von dir gestellten Fragen. In diesem Fall kann man eben NICHT folgern, dass ein Vorstandsmitglied dieses Vereins zwingend rechts sei. Nach der Kontaktschuld-Theorie wären dann aber alle Vorstände des Vereins rechts.
Natürlich ist die Frage zulässig, warum ein Verein Rechte in seinen Reihen duldet (das ist übrigens eine Sache, die mir im konkreten Fall sehr sauer aufstößt, um es milde auszudrücken). Aber darum ging es mir hier nicht; das ist im Prinzip ein anderes Thema, das mit dem hier nur entfernt etwas zu tun hat.
Ah, ok. Es geht um Mitglieder, von denen man weiß daß sie Rechts sind. Das reltiviert das Genze zwar tatsächlich, aber ich finde auch hier den Vergleich mit dem Zug nicht passend.
Während eine Zugfahrt keine Beziehung zwischen den Fahrgästen herstellt, ist ein Verein natürlich eine Interessengemeinschaft. Je nachdem, um was es da geht, kann es durchaus sein, daß dieser Verein sich fragen lassen muss, warum er Rechtradikale als Mitglieder zulässt. Bspw. der Rabenclan hat aus diesem Grund dafür sorgen, daß Rechtsradikale grundsätzlich kein Mitglied werden können. Einem Hasenzüchterverein dagegen kann das wahrscheinlich egal sein, da ist das tatsächlich nur noch Geschmackssache und kein (normal denkender) Mensch würde das zu einem ideologischen Problem machen.
Springender Punkt ist jedenfalls, daß ein Zug ein öffentlicher Platz ist, ein Verein aber nicht unbedingt und der Vergleich passt daher nicht ganz.
Unstrittig ist natürlich, daß es auch in einem Verein keine Kontaktschuld geben kann, aus welchem Grund auch immer. Aber das wird ja auch in weniger kritischen Konfliktsituationen nicht erkannt und scheint somit schlicht menschlich zu sein.
Huch? Wo ist denn meine zweite Antwort hingekommen?
Also ich kann deinen zweiten Kommentar lesen.
Mit deiner Unterscheidung zwischen Zugfahrt und Vereinsmitgliedschaft hast du recht. Mir ging es einfach um zwei Beispiele für die "Kontaktschuld"-Hypothese. Natürlich ist die "Kontaktschuld-Hypothese" bei einer Zugfahrt noch abwegiger als im Falle eines Vereins (aus den Gründen, die du geschrieben hast), aber sie trifft in beiden Fällen nicht zu, weil es meiner Ansicht nach keine "Kontaktschuld" gibt.
Daß es eine Kontaktschuld nicht gibt ist m.E. ohnehin unbestritten.
Allerdings glaube ich auch nicht, daß man aus der Kritik an der Duldung rechtsradikaler Politiker in einem neogermanischen Verein (hab inzwischen mitbekommen, worum es geht) den Vorwurf einer einer "Kontaktschuld" basteln kann.
Wenn eine Antwort in der Form "Ich gehe nicht auf Rechtsradikale ein, und auch nicht auf Dich, weil Du Vorstand in einem Verein bist, der auch zwei Rechtsradikale beherbergt" gegenüber dem eben nicht rechtsradikalen Vorstandsmitglied erfolgt kann es sich ja nur um eine Kontaktschuldannahme handeln, denn das ist die einzige Logik, die in diesem Zusammenhang noch schlüssig erscheint. Inklusive der, dass man diese Person - wegen seiner Funktion in einem zwar nicht "rechten" aber offensichtlich nach Rechts offenen Verein ebenfalls für rechtsradikal hält. Die Kette "2 Rechte Mitglieder - rechter Verein - rechter Vorstand" ist in dem Fall des Anlasses für Volkmars Artikel leider eindeutig.
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