Lesen, Schreiben und Techlevel
Im mittelalterlichen Europa war die Fähigkeit "Lesen und Schreiben" nicht sehr weit verbreitet. Die allermeisten Bauern (und selbst die meisten Adligen) waren Analphabeten; Adlige glichen dies dadurch aus, dass sie Schreiber am Hofe hatten. Erst mit dem Aufkommen der Industriellen Revolution änderte sich dies, als die allgemeine Volksschule eingeführt wurde (z.B. in Preußen: allgemeine Schulpflicht 1717, erlassen durch Friedrich Wilhelm I.; im restlichen Deutschland meistens erst Anfang des 19. Jh.). Seit dieser Zeit ist es ein gesellschaftlicher Nachteil, Analphabet zu sein.
Das Rollenspielsystem GURPS beansprucht, universell einsetzbar zu sein, sowohl für Fantasy- als auch für SF-Bereich. In GURPS kann der Spieler nach einem Punktesystem positive Eigenschaften für seine Charaktere festlegen; durch negative Eigenschaften wiederum gewinnt er Punkte. GURPS regelte bis zur dritten Auflage nun folgendes:
Charaktere aus einer "low-tech" Welt (bis hin zum GURPS Techlevel 5, das entspricht der beginnenden Industriellen Revolution) müssen 10 Punkte ausgeben, um Lesen und Schreiben zu können. Ab TL 5 jedoch ist Analphabetismus ein "-10 Punkte Nachteil", d.h., dieser bringt 10 Pluspunkte ein.
Diese Regelung leuchtete mir zunächst ein. Aber gestern las ich in der GURPS FAQ, dass in der 4. Auflage von GURPS diese Regelung abgeschafft wurde. Warum?
Am Beispiel des Auenlandes (MIttelerde) kam ich darauf. Das Auenland ist definitiv technologisch unterhalb des Industriezeitalters, also maximal TL 4. Dennoch können die Bewohner mehrheitlich lesen und schreiben. Dies stützt sich auf mehrere Fakten. Zum einen können zumindest Bildo, Frodo und Sam schreiben (da alle drei an dem Buch "The Hobbit or There and Back Again" arbeiten). Weiterhin wird im Herrn der Ringe darauf hingewiesen, dass der Bürgermeister von Michelbinge für die Post zuständig ist, weil sich Hobbits gerne Briefe schreiben. Das bedeutet, dass die meisten Hobbits lesen und schreiben können müssen. Das stärkste Indiz aber ist das Schild an Bilbos Gartentür zu Beginn der Trilogie. Dieses Schild ist beschriftet mit "No admittance (except party business)". Ein beschriftetes (und nicht bebildertes) Schild macht aber nur Sinn in einer Kultur, in der die Mehrheit lesen und schreiben kann. Im Mittelalter etwa wäre ein solches Schild vergebene Liebesmüh gewesen.
Mit anderen Worten: das Auenland ist ein Beispiel für eine TL4-Kultur, in der trotzdem die Mehrheit lesen und schreiben kann. Bei näherer Betrachtung lassen sich sicher in der Fantasy noch mehr solche Kulturen finden. Somit macht es keinen Sinn, die Verbreitung des Lesen-und-Schreiben-Könnens an das TL einer Kultur zu binden. GURPS 4. Auflage hat daher die Regel, dass jeder Charakter automatisch seine Muttersprache sprechen, lesen und schreiben kann, ohne dafür Punkte ausgeben zu müssen. Kulturabhängige Ausnahmen kann der Spielleiter festlegen.
Im mittelalterlichen Europa war die Fähigkeit "Lesen und Schreiben" nicht sehr weit verbreitet. Die allermeisten Bauern (und selbst die meisten Adligen) waren Analphabeten; Adlige glichen dies dadurch aus, dass sie Schreiber am Hofe hatten. Erst mit dem Aufkommen der Industriellen Revolution änderte sich dies, als die allgemeine Volksschule eingeführt wurde (z.B. in Preußen: allgemeine Schulpflicht 1717, erlassen durch Friedrich Wilhelm I.; im restlichen Deutschland meistens erst Anfang des 19. Jh.). Seit dieser Zeit ist es ein gesellschaftlicher Nachteil, Analphabet zu sein.
Das Rollenspielsystem GURPS beansprucht, universell einsetzbar zu sein, sowohl für Fantasy- als auch für SF-Bereich. In GURPS kann der Spieler nach einem Punktesystem positive Eigenschaften für seine Charaktere festlegen; durch negative Eigenschaften wiederum gewinnt er Punkte. GURPS regelte bis zur dritten Auflage nun folgendes:
Charaktere aus einer "low-tech" Welt (bis hin zum GURPS Techlevel 5, das entspricht der beginnenden Industriellen Revolution) müssen 10 Punkte ausgeben, um Lesen und Schreiben zu können. Ab TL 5 jedoch ist Analphabetismus ein "-10 Punkte Nachteil", d.h., dieser bringt 10 Pluspunkte ein.
Diese Regelung leuchtete mir zunächst ein. Aber gestern las ich in der GURPS FAQ, dass in der 4. Auflage von GURPS diese Regelung abgeschafft wurde. Warum?
Am Beispiel des Auenlandes (MIttelerde) kam ich darauf. Das Auenland ist definitiv technologisch unterhalb des Industriezeitalters, also maximal TL 4. Dennoch können die Bewohner mehrheitlich lesen und schreiben. Dies stützt sich auf mehrere Fakten. Zum einen können zumindest Bildo, Frodo und Sam schreiben (da alle drei an dem Buch "The Hobbit or There and Back Again" arbeiten). Weiterhin wird im Herrn der Ringe darauf hingewiesen, dass der Bürgermeister von Michelbinge für die Post zuständig ist, weil sich Hobbits gerne Briefe schreiben. Das bedeutet, dass die meisten Hobbits lesen und schreiben können müssen. Das stärkste Indiz aber ist das Schild an Bilbos Gartentür zu Beginn der Trilogie. Dieses Schild ist beschriftet mit "No admittance (except party business)". Ein beschriftetes (und nicht bebildertes) Schild macht aber nur Sinn in einer Kultur, in der die Mehrheit lesen und schreiben kann. Im Mittelalter etwa wäre ein solches Schild vergebene Liebesmüh gewesen.
Mit anderen Worten: das Auenland ist ein Beispiel für eine TL4-Kultur, in der trotzdem die Mehrheit lesen und schreiben kann. Bei näherer Betrachtung lassen sich sicher in der Fantasy noch mehr solche Kulturen finden. Somit macht es keinen Sinn, die Verbreitung des Lesen-und-Schreiben-Könnens an das TL einer Kultur zu binden. GURPS 4. Auflage hat daher die Regel, dass jeder Charakter automatisch seine Muttersprache sprechen, lesen und schreiben kann, ohne dafür Punkte ausgeben zu müssen. Kulturabhängige Ausnahmen kann der Spielleiter festlegen.
2 Kommentare:
Die Regeländerung macht nicht nur bei Fantasy-Kulturen Sinn. Im antiken Rom konnten die meisten Bürger Lesen und Schreiben, was auch an römischen Baudenkmälern buchstäblich abgelesen werden kann. Aber die erste wirklich auf breiter Basis "schriftliche" Kultur waren wohl die Phönikier, die ja auch die Alphabetschrift erfanden. Im alten China war, trotz der umständlichen Schrift, die Kunst des Schreibens weit verbreitet.
Selbst die Germanen waren, entgegen dem Klischee, nicht durchweg analphabetisch. Auch Runensteine wollten gelesen werden ;). Ein Sonderfall sind die Kelten: im "täglichen Geschäftsleben" nutzten keltische Kaufleute das griechische Alphabet, während die Druiden bewußt auf einer Kultur der mündlichen Überlieferung beharrten.
Auf der anderen Seite finde ich in meinem GURPS-Regelwerk immer wieder den Hinweis, daß alle Regeln immer optional sind und vom GM nach eigenem Gusto eingesetzt werden können oder eben nicht. Das sind also nur Richtlinien, wenn man ein Auenland benötigt in dem fast alle lesen und schreiben können, dann ist das halt in dem Universum so.
Das gilt natürlich auch für die Neuauflage, die mir nach allem, was ich bisher darüber las, allerdings auch nicht so recht gefallen mag...
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