Quote für deutsche Songs
Laut einem Bericht des
Darmstädter Echos wird wieder einmal über eine Quote für deutschsprachige Songs bzw. für deutsche Produktionen nachgedacht. Diskutiert werden zwei Modelle. Einmal wird erwogen, eine Quote für deutschsprachige Songs einzuführen, zum anderen eine Quote für "deutsche Produktionen" (offenbar unabhängig von der Sprache). Von einer solchen Quote (egal nach welchem Modell) halte ich nichts, aus mehreren Gründen.
Das eine ist die Abgrenzung. Nehmen wir das Modell mit "deutschsprachigen Songs", das am meisten diskutiert wird. Aktuell steht auf Platz 2 der Charts der Song "Amerika" von Rammstein, er enthält mehrheitlich deutsche, aber auch ein paar englische Textzeilen. Zählt dieser Song als deutsch? Weitere Beispiele sind der Song "Wooden Heart (Muss I denn, muss i denn)" von Elvis Presley, der zur Hälfte englisch und zur Hälfte deutsch ist. Oder der Song "Marian" von den Sisters of Mercy, der einen komplett deutschen Vers enthält, aber ansonsten in englischer Sprache ist. Zählen "Marian" und "Wooden Heart" als deutsch? Noch schwieriger wird es bei deutschen Dialekten: zählen z.B. Songs von Haindling (bayerisch) als deutsch? Und was ist mit Songs in Mittelhochdeutsch (Beispiel "Unter der linden" von Walter von der Vogelweide) oder gar Althochdeutsch (Beispiel "Merseburger Zaubersprüche", u.a. vertont von In Extremo): zählen die als deutsch? Wie man an diesen Beispielen sieht, ist eine saubere Abgrenzung nicht möglich.
Bei den "deutschen Produktionen" sieht es ähnlich aus. Beispiel: die Band Lacrimosa. Lacrimosa besteht im wesentlichen aus zwei Personen: Tilo Wolff (geboren in Frankfurt/Main, Deutscher) und Anne Nurmi (Finnin). Beide wohnen in der Schweiz. Das letzte Album nahm Lacrimosa in den Abbey Road Studios in London auf. Zählt Lacrimosa nun als "deutsche Produktion" oder nicht? Was ist ausschlaggebend: die Nationalität der Bandmitglieder? Das würde bedeuten, dass man bei jeder Band, bevor man sie im Radio spielt, nach den Pässen der Bandmitglieder fragen müßte, was ich für albern halte. Der Sitz des Labels? Dann könnte es passieren, dass eine, sagen wir, englische Band mit nur englischsprachigen Songs durch einen Labelwechsel plötzlich deutsch wird. Der Ort, an dem ein Song aufgenommen wurde? Dann wären die meisten Platten von Queen deutsch, da sie in München aufgezeichnet wurden. Mir kommt keins der Kriterien stimmig vor. Ich halte eine praktische Umsetzung einer deutschen Quote (egal nach welchem Modell) daher für unmöglich.
Selbst wenn es möglich wäre, halte ich eine Quote nicht für sinnvoll. Radio- und Fernsehsender bringen die Musik, die gewünscht wird. Das können in einigen Fällen auch deutschsprachige Songs sein. Als aktuelle Beispiele, die gerade in den Charts stehen, fallen mir "Troy" von den Fanta 4 sowie "Amerika" von Rammstein ein, beides Songs, die sich auch ohne Quote durchgesetzt haben. Mit anderen Worten: die CD-Käufer kaufen Songs, die ihnen gefallen, egal in welcher Sprache. Abgesehen davon halte ich in einer Zeit, in der halb Europa ohne Grenzkontrolle bereist werden kann und in der sogar die Währung europäisch ist, für einen Anachronismus, Hürden gegen "ausländische Songs" aufzubauen.