Anhand eines Beispiels aus der Biologie (es geht um den Transport von Ionen in Zellen) erläutert Telepolis die fatale Wirkung des "Peer Review Systems" in der Wissenschaft.
Nach Charles Babbage (Reflections on the Decline of Science in England, first edition1830, London) gibt es drei Arten von wissenschaftlichem Betrug:
1. Trimming: Nivellieren von Unregelmäßigkeiten
2. Cooking: Zitieren der Ergebnisse, die zu einer Theorie passen, Weglassen der Ergebnisse, die der Theorie widersprechen
3. Forging: Erfinden aller Forschungsergebnisse
Während Trimming und Forging - wenn sie denn nachgewiesen sind - von jedermann als Betrug identifiziert und als unmoralisch angesehen werden gilt dies nicht für Cooking. Im Gegenteil, diese Betrugsform wird allgemein als legitimes Mittel zur Durchsetzung favorisierter Meinungen eingesetzt. Bei der Komplexität biologischer Fragestellungen und der zunehmenden Daten- und Literaturexplosion ist praktisch jeder Wissenschaftler auf Zusammenfassungen, Übersichtsartikel (Reviews) und Lehrbücher angewiesen, um sich in ein Spezialgebiet einzuarbeiten.
Die Reviews, deren Inhalt sich dann in kondensierter Form in Lehrbüchern wieder findet, sind aber nun so angelegt, dass bei Zugrundelegung allgemein akzeptierter Theorien ein möglichst einheitliches Bild ohne Widersprüche dargestellt wird. D.h. die Autoren (Wissenschaftler!) verschweigen bewusst alle Befunde, die im Widerspruch zu akzeptierten "Grundwahrheiten" stehen, weisen bestenfalls auf periphere Probleme hin, die noch gelöst werden müssen. Sie verschweigen aber, dass diese Befunde bei einer anderen Sichtweise wissenschaftlich im Sinne des eingangs definierten Kriteriums verstanden werden können.
Noch schlimmer aber ist es, dass "querschießende" Vorhaben, die der gängigen Lehrmeinung widersprechen, oft bereits im Vorfeld abgewürgt werden. Das liegt daran, dass heutzutage die meisten Forschungsvorhaben aus staatlichen Geldern finanziert werden. Diese Gelder werden meistens von Kommittees verwaltet. Um an die Gelder heranzukommen, muss man einen Antrag (ein sog. "proposal") verfassen. Jedes Proposal wird nun einer Qualitätskontrolle unterzogen, in dem man es Forschern derselben oder einer verwandten Fachrichtung vorlegt. Das ist der sog. "Peer Review Process". Mit anderen Worten: die proposals werden von meistens von Leuten geprüft, die die gängige Lehrmeinung (die herrschenden Paradigmen) vertreten. Es ist klar, dass abweichende Meinungen unter diesen Umständen nur wenig Chancen haben. Meistens führt das bereits im Vorfeld dazu, dass ein Antragsteller nur solche Dinge beantragt, die auf keinen Fall die gängige Lehrmeinung in Frage stellen - eine Vorgehensweise, die von manchen Institutionen sogar direkt empfohlen wird, etwa dem National Institute of Health, USA: ".... the author of a project proposal must learn all he can about those who will read his proposal and keep those readers constantly in mind as he writes..."
Sollte jemand durch "ein Versehen" doch zu einer Erkenntnis kommen, die der herrschenden Lehrmeinung widerspricht, so ist noch lange nicht gesagt, dass er seine Meinung auch publizieren kann. Denn alle Publikationen in namhaften Fachzeitschriften werden demselben "Peer Review Process" unterzogen wie oben beschrieben.
Der Telepolis-Artikel stellt treffend fest:
Die Folgen eines angepassten Verhaltens liegen auf der Hand: In letzter Konsequenz ist das Peer-Review-System mit seinen Spielregeln erfolgreicher bei der Abwehr genialer Ideen und revolutionärer Neuerungen als die Kirche des Mittelalters im Kampf gegen unpassende Ansichten.
Hierfür gibt es auch Beispiele außerhalb der Biologie. So hat etwa der Physiker und Astronom Wolfhard Schlosser von der Ruhr-Universität Bochum in der Nähe der Externsteine Entdeckungen gemacht, die ebenfalls den herrschenden Paradigmen über die Externsteine widersprechen (siehe diesen Artikel in GEO). Hier kommt erschwerend hinzu, dass die Externsteine heute tabu sind, weil sie von den Nazis mißbraucht wurden, so dass nach 1945 dort keine Ausgrabungen mehr stattfanden. Das ist aber kein Grund, die Externsteine nicht neu zu erforschen.