12.9.03

Zwei Denkfehler

Angeregt durch eine Forumsdiskussion möchte ich hier zwei Denkmechanismen aufzeigen, die in unserer Gesellschaft weit verbreitet sind und die ich (aber nicht nur ich) als Denkfehler empfinde:

Denkfehler Nr. 1: Einen Mißstand relativieren/rechtfertigen, indem auf einen noch schlimmeren Mißstand hingewiesen wird

Erstes Beispiel: A. fährt mit 20 km/h zu schnell an einer Schule vorbei, wird erwischt und erzählt den Verkehrskontrolleuren: "Mein Nachbar B. fährt immer mindestens doppelt so schnell hier lang! Bestrafen Sie lieber den!"

Zweites Beispiel: Im Staate X wird ein Mörder zu Tode verurteilt und hingerichtet. Als amnesty international sich beschwert, verweist der Staatschef von X auf die USA, die seien viel schlimmer, da habe es 2002 insgesamt 71 Hinrichtungen gegeben.

Spätestens das zweite Beispiel sollte klarmachen: es kann nicht darum gehen, nur den größeren Mißstand abzustellen und den kleineren durchgehen zu lassen. Nein, beide müssen abgestellt werden. 71 Hinrichtungen in den USA und eine im Staate X, das sind 72 zuviel.


Denkfehler Nr. 2: Falsche bzw. scheinbare Gegensätze

Erstes Beispiel: in einer Kleinstadt wird debattiert, ob man lieber einen neuen Kindergarten oder eine neue Stadthalle bauen soll.

Zweites Beispiel: Raumfahrtgegner argumentieren gerne damit, das "viele Geld" für die Raumfahrt solle man lieber zur Bekämpfung des Hungers auf der Welt ausgeben.

Hier geht es nicht um ein "entweder-oder", sondern um ein "sowohl-als-auch". Im ersten Beispiel: wenn sowohl der Kindergarten als auch die Stadthalle notwendig sind, dann kann es nur ein Ziel geben: eine neue Stadthalle UND einen neuen Kindergarten. Man kann höchstens über die zeitliche Reihenfolge debattieren. Genauso im zweiten Fall: hier muß es das Ziel sein, sowohl Raumfahrt zu betreiben, als auch den Hunger in der Welt zu bekämpfen.